Für die meisten von uns bedeutet die Umstellung auf die Sommerzeit nur etwas Müdigkeit am nächsten Tag. Doch für rund eine Million Schweizerinnen und Schweizer, die unter Migräne leiden, kann diese kleine Zeitverschiebung der Auslöser für Migräne sein.
Eine aktuelle Studie der Schmerzklinik Kiel bringt nun wissenschaftliche Evidenz: Die Zeitumstellung ist ein unterschätzter Trigger für Migräneanfälle. Die haben die Daten von 258 Patientinnen und Patienten mit episodischer oder chronischer Migräne über die Jahre 2020 bis 2022 ausgewertet. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Häufigkeit von Migräneattacken steigt in der Woche nach der Umstellung auf die Sommerzeit um 6,4 Prozent. Besonders der Montag nach der Zeitumstellung wird für viele Betroffene zum Tag des Leidens. Im Gegensatz dazu sinkt die Migränehäufigkeit nach der Rückkehr zur Winterzeit im Herbst um 5,5 Prozent. - Doch warum ist das so?
Der biologische Rhythmus aus dem Takt
Die Sommerzeit stört den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus des Körpers stärker als die Rückkehr zur Normalzeit im Herbst. Durch die Zeitverschiebung kommt es zu einer Verzögerung, bei der sich unser biologischer Rhythmus nicht sofort anpassen kann. Dieser Effekt wird oft als «Mini-Jetlag» bezeichnet.
«Der ganze Rhythmus verschiebt sich», erklärt Schlafforscher Albrecht Vorster vom Inselspital Bern. «Man muss nicht nur eine Stunde früher aufstehen, sondern auch eine Stunde früher zu Mittag und zu Abend essen und früher ins Bett gehen. Diese Verschiebung führt zu einem sogenannten sozialen Jetlag, weil die gefühlte ‹innere Uhr› nicht mehr mit dem Arbeitsalltag zusammenpasst.»
Besonders betroffen sind sogenannte «Eulen» – also Menschen, die abends oft aktiver und länger wach sind, jedoch früh morgens nur schwer aufstehen können. Sie haben grössere Schwierigkeiten, sich auf die Sommerzeit umzustellen, was Migräneanfälle auslösen kann.
Die Umstellung auf die Winterzeit fällt dem Körper hingegen weniger schwer, da diese eher dem natürlichen Rhythmus entspricht. Das bestätigte auch die Kieler Studie: «Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Wechsel zur Sommerzeit die Anpassung der inneren Uhr verzögert, während die Rückkehr zur Standardzeit im Herbst die Synchronisation mit den natürlichen Lichtverhältnissen wiederherstellt», erklärt Prof. Dr. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel.
Weitere Faktoren, die Migräne beeinflussen
Die Zeitumstellung ist nicht der einzige Umweltfaktor, der Migräne auslösen oder verstärken kann. Wissenschaftler haben verschiedene Theorien entwickelt, warum Migräneattacken in bestimmten Jahreszeiten häufiger auftreten.
Eine erhöhte Sonnenlichtintensität, wie sie im Sommer vorkommt, kann den Melatoninspiegel senken und dadurch Migräneattacken auslösen. Auch barometrische Druckschwankungen spielen eine wichtige Rolle. Eine kleine Studie ergab, dass bereits ein geringer Abfall des Luftdruckes Kopfschmerzen auslösen kann. Dies erklärt, warum viele Migräne-Patienten vor Gewittern oder Wetterwechseln besonders leiden.
Tipps für Migräne-Betroffene während der Zeitumstellung
Für Menschen mit Migräne gibt es einige Strategien, um die Auswirkungen der Zeitumstellung zu mildern:
1. Schrittweise Anpassung: Passen Sie Ihren Schlaf-Wach-Rhythmus in der Woche vor der Zeitumstellung vorsichtig und schrittweise an – besonders, wenn Sie eine «Eule» sind. Versuchen Sie zum Beispiel, sich nach und nach an eine frühere Schlafenszeit zu gewöhnen, um die Umstellung um eine ganze Stunde besser abzufedern.
2. Stabiler Rhythmus: Migränepatienten sollten insgesamt versuchen, ihren Schlafrhythmus stabil zu halten und ausreichend Schlaf zu bekommen. Versuchen Sie, in der Zeit um die Zeitumstellung besonders darauf zu achten.
3. Andere Trigger minimieren: Da die Zeitumstellung bereits ein Risikofaktor ist, sollten andere bekannte Migräne-Auslöser in dieser Zeit besonders vermieden werden. Dazu können gehören: Stress, bestimmte Lebensmittel (wie Alkohol), Dehydration oder unregelmässige Mahlzeiten.
4. Auf Wetterwechsel achten: Da auch Wetterveränderungen Migräne auslösen können, ist es ratsam, in der Zeit nach der Zeitumstellung besonders auf Wetterwechsel zu achten und gegebenenfalls vorbeugende Massnahmen zu ergreifen.
Brauchen wir die Zeitumstellung überhaupt noch?
Die Ergebnisse der Kieler Studie liefern neue Argumente für die Diskussion über eine Abschaffung der Zeitumstellung, die auch in der Schweiz geführt wird. «Unsere Forschung liefert neue Argumente für eine stabile Zeitregelung, um gesundheitliche Belastungen durch die Zeitumstellung zu minimieren», betont Prof. Göbel.
Die verlorene Stunde und der gewonnene Einblick
Die verlorene Stunde bei der Umstellung auf die Sommerzeit ist nur ein temporäres Problem, während die Migräne für viele eine lebenslange Belastung darstellt. Das wachsende Verständnis für die Auslöser – wie nun die Zeitumstellung – gibt jedoch Hoffnung auf bessere Präventionsstrategien und mehr gesellschaftliches Verständnis. Was wir durch die Studie der Schmerzklinik Kiel gewonnen haben, ist wertvoller als die verlorene Stunde: ein besseres Verständnis für einen komplexen Zusammenhang, der das Leben vieler Menschen erleichtern könnte.
Quelle:
Schmerzklinik Kiel. Winter-Sommer-Zeitumstellung beeinflusst gravierend Migräne: Neue Studie aus Kiel mit brisanten Ergebnissen.
https://schmerzklinik.de/winter-sommer-zeitumstellung-beeinflusst-gravierend-migraene-neue-studie-aus-kiel-mit-brisanten-ergebnissen/
SRF. Zeitumstellung: Warum Sie bald einen Mini-Jetlag haben könnten.
https://www.srf.ch/wissen/mensch/eine-stunde-vor-zeitumstellung-warum-sie-bald-einen-mini-jetlag-haben-koennten
Bild: Adobe Stock/KI
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