Haben Sie schon einmal bemerkt, dass Ihnen Gerüche plötzlich unangenehm oder sogar unerträglich vorkommen – vor, während oder nach einer Migräneattacke? Damit sind Sie nicht allein! Hier erfahren Sie mehr über die Hintergründe und wie Sie im Alltag damit umgehen können.
Zwar kennt man Lichtempfindlichkeit (Photophobie) und Geräuschempfindlichkeit (Phonophobie) bereits als häufige Begleiter der Migräne, doch auch eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Gerüchen – die sogenannte Osmophobie – spielt oft eine grosse Rolle, auch wenn sie weniger im Rampenlicht steht.
Was genau ist Osmophobie?
Osmophobie wird als «Angst, Abneigung oder psychologische Überempfindlichkeit gegenüber Gerüchen» definiert. Das heisst, was normalerweise angenehm duftet – zum Beispiel ein frisch geöffneter Lufterfrischer – kann während einer Migräneattacke geradezu abstossend wirken. Manchmal ist damit auch eine gesteigerte Wahrnehmung von Gerüchen (Hyperosmie) verbunden, sodass ein Reinigungsmittel plötzlich viel stärker riecht als sonst. Obwohl die Begriffe Hyperosmie und Osmophobie unterschiedlich sind, verwenden viele sie im Zusammenhang mit Migräne als Synonyme für «Geruchsempfindlichkeit».
Warum tritt Osmophobie so oft bei Migräne auf?
Osmophobie kann verschiedene Ursachen haben, doch Menschen mit Migräne sind besonders häufig betroffen. Das liegt daran, dass das sogenannte «Migränegehirn» äusserst sensibel auf verschiedenste Sinnesreize reagiert – seien es Licht, Lärm oder eben Gerüche.
Wie genau äussert sich Osmophobie?
• Vor dem Migräneanfall: Ihnen fallen plötzlich bestimmte Gerüche auf, die Sie vorher kaum registriert haben – ein mögliches Vorbotensignal.
• Während der Attacke: Auch Ihr Lieblings-Weichspüler kann Sie in dieser Phase nerven, weil er auf einmal viel zu intensiv riecht.
• Zwischen den Migräneanfällen: Manche Betroffene bemerken selbst in schmerzfreien Zeiten eine erhöhte Sensibilität gegenüber Alltagsgerüchen.
• Bei bestimmten Gerüchen: Vielleicht können Sie den Geruch eines Lebensmittels problemlos ertragen, während ein anderes Sie fast in die Flucht schlägt.
Studien zufolge zählen Parfüms, Duftkerzen, Lufterfrischer, Lebensmittel, Rauch (Zigarren, Zigaretten) und Reinigungsmittel zu den häufigsten «Geruchssündern» – aber natürlich ist das sehr individuell und variiert von Person zu Person.
Auswirkungen der Osmophobie auf die Migräne
Osmophobie betrifft 25% bis 80% der Migränepatienten und korreliert oft mit schwereren, länger anhaltenden Attacken sowie einer längeren Krankheitsgeschichte. Häufig liegt eine zentrale Sensibilisierung zugrunde: Das Nervensystem reagiert übermässig empfindlich auf Reize. Diese Überempfindlichkeit verstärkt sich meist mit der Häufigkeit und Dauer der Migräneanfälle.
Eine mögliche Folge ist Allodynie – Schmerzen bei normalerweise harmlosen Berührungen. Aussagen wie «Heute tun mir sogar die Haare weh» beschreiben dieses Phänomen treffend. Osmophobie geht zudem oft mit erhöhten Angst- und Depressionswerten einher.
Auslöser oder Vorbote?
Oft ist unklar, ob Gerüche Migräne auslösen oder ob eine erhöhte Geruchsempfindlichkeit bereits ein Vorbote (Prodromalsymptom) des Anfalls ist. Forschungen zeigen, dass bis zu 48 Stunden vor Kopfschmerzbeginn Gehirnareale aktiviert werden, die typische Migränesymptome verursachen. Dies könnte die gesteigerte Geruchswahrnehmung erklären.
Ein Migränetagebuch hilft, Muster zu erkennen: Notieren Sie auffällige Gerüche und Ihre Reaktionen darauf. So können Sie besser unterscheiden, ob ein Duft tatsächlich Auslöser ist oder ob Sie sich bereits in der Frühphase einer Migräne befinden.
Tipps für den Alltag mit Osmophobie
1. Finden Sie Ihre persönlichen «Geruchstäter»: Beobachten Sie, welche Düfte am meisten stören. Häufig gehören sie einer Kategorie an (z. B. Reinigungsmittel, Parfüms), doch manchmal sind es auch ganz unterschiedliche Dinge.
2. Wählen Sie neutrale Produkte: Setzen Sie bei sich zu Hause auf unparfümierte Reiniger, Seifen oder Pflegeprodukte. So minimieren Sie unnötige Duftquellen.
3. Werden Sie kreativ beim Vermeiden: Wenn Sie beim Kochen Gerüche stören, lüften Sie die Küche intensiv oder gehen Sie währenddessen kurze Besorgungen erledigen. Auch ein guter Zeitplan kann helfen, um belastende Gerüche zu umgehen.
4. Geruchsfrei am Arbeitsplatz oder in der Schule: Sprechen Sie mit Vorgesetzten oder Lehrkräften über das Thema. Geruchsfreie Richtlinien kommen nicht nur Migränebetroffenen zugute, sondern helfen oft auch Menschen mit Allergien oder Asthma.
5. Migränefreundliche Düfte entdecken: Einige Betroffene empfinden bestimmte Düfte – etwa Pfefferminze oder Lavendel – als angenehm und sogar lindernd. Probieren Sie vorsichtig aus, ob das auch für Sie funktioniert.
6. Nutzen Sie Erkenntnisse aus der COVID-19-Pandemie: Eine gute Raumluftqualität durch bessere Belüftung oder Luftreiniger (zum Beispiel HEPA-Filter, Corsi-Rosenthal-Boxen) reduziert nicht nur Krankheitserreger, sondern auch störende Geruchsstoffe. Das Tragen einer Atemschutzmaske (etwa KN95 oder N95) kann ebenfalls helfen, wenn Sie in geruchsintensiven Umgebungen unterwegs sind.
7. Sprechen Sie mit Ihrem ärztlichen Team: Osmophobie geht oft Hand in Hand mit Migräne, insbesondere wenn diese häufig oder stark auftritt. Eine ganzheitliche Migränebehandlung, bestehend aus Vorbeugungsstrategien, gezielter Akutbehandlung und Lifestyle-Anpassungen, kann die Osmophobie langfristig verbessern.
Fazit
Osmophobie kann Migräneanfälle noch unangenehmer machen. Doch wenn Sie Ihre individuellen Auslöser kennen und mithilfe entsprechender Massnahmen im Alltag sensibel damit umgehen, lässt sich die Belastung deutlich reduzieren. Zögern Sie nicht, professionelle Unterstützung zu suchen – Ihr Körper (und Ihre Nase) werden es Ihnen danken!
Referenzen
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Bild: Adobe Stock/Africa Studio
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